Was sind die Gründe für die neuen Regelungen?
Im Mai 2023 wurden durch das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW) wesentliche Rahmenbedingungen verändert und neben der Einführung des agilen Rollouts auch erstmals die Herstellung der Steuerbarkeit über das intelligente Messsystem (iMSys) als verpflichtende Zusatzleistung des Messstellenbetreibers benannt. Auch die Kostenbeteiligung des Netzbetreibers an den Preisobergrenzen (POG) wurde mit der Begründung festgeschrieben, dass dieser von der Sichtbarkeit (zeitnahe Messwerte) und Steuerbarkeit (Engpassmanagement) insbesondere bei Kunden mit Anlagen nach § 14a EnWG sowie Erzeugern nach EEG maßgeblich profitiert.
Faktisch wurden bisher gerade diese Kundengruppen im Rollout noch nicht mit iMSys ausgestattet. Gleichzeitig steigen diese Pflichteinbaufälle durch die fortschreitende Energie-, Wärme- und Mobilitätswende von Jahr zu Jahr deutlich an. Während die nach §14a EnWG zugebauten Anlagen bisher nur selten lokale Netzprobleme verursachen, führt die große Anzahl nicht steuerbarer kleinen PV-Anlagen bereits heute an sonnigen Sommerwochenenden zu erheblichen Problemen im Übertragungsnetz. In Summe drücken die Wind- und PV-Einspeisungen auch die Börsenstrompreise zunehmend ins Negative. Angesichts des prognostizierten und politisch gewollten Zubaus, gerade kleiner PV-Anlagen, hat der Gesetzgeber nun die Herstellung der Steuerbarkeit über die angepassten Rolloutvorgaben als oberste Priorität festgesetzt.
Was sind die wesentlichen Änderungen gegenüber der aktuellen Gesetzeslage?
Im Rahmen der von BET und EY erstellten Voruntersuchungen und Kosten-Nutzen-Analysen wurden Vorschläge zur Anpassung des Messstellenbetriebsgesetzes (MsbG) hinsichtlich der Struktur der Standard- und Zusatzleistungen als auch der Höhe der POG auf Basis einer MSB-Branchenbefragung unterbreitet. Einige dieser Vorschläge haben Eingang in den Bericht des BMWK nach § 48 MsbG (Digitalisierungsbericht) gefunden und wurden im Referentenentwurf nun aufgegriffen. Konkret betrifft dies die Punkte: Anhebung einzelner POG, Entfall der POG für einen Großteil der Zusatzleistungen und Aufhebung der POG-Bündelungsregelung.
Über den Digitalisierungsbericht hinausgehend werden zur Entlastung des MSB die Rolloutquote für 2032 auf 90 % abgesenkt, der agile Rollout bis Ende 2025 verlängert und Vereinfachungen beim gebündelten Messstellenbetrieb (Liegenschaftsmodell) vorgenommen.
Gänzlich neu hinzugekommen ist der beschleunigte Steuerungs-Rollout, der nun alle Erzeugungsanlagen > 2 kW als Pflichteinbaufall und Standardleistung des Messstellenbetreibers definiert. Konkret heißt dies für die Anlagenbetreiber:
Sobald ein iMSys verbaut ist, darf die Steuerung ausschließlich hierüber erfolgen - in der Regel mittels einer mit dem Smart-Meter-Gateway verbundenen zertifizierten Steuerbox. Für die Übergangszeit wird für Neuanlagen eine technische Begrenzung der Netzeinspeisung auf 50 % der installierten Anlagenleistung gefordert. Das BMWK verfolgt damit konsequent den Ansatz des digitalen Netzanschlusses und verpflichtet den Anschlussnehmer (Eigentümer, i.d.R. auch Anlagenbetreiber) zur hälftigen Zahlung der entsprechenden Steuerungs-POG. Viele der bisherigen Zusatzleistungen wurden damit folgerichtig inhaltlich und kostenmäßig in die Standardleistungen überführt.
Im Zusammenhang mit der Steuerung wurden auch Erweiterungen im EnWG vorgenommen, die dem Messstellenbetreiber im Zusammenspiel mit Netz- und Anlagenbetreiber umfangreiche und zu dokumentierende Tests bei Inbetriebnahme und jährlich wiederkehrend auferlegen. Darin spiegelt sich die Praxiserfahrung der Übertragungsnetzbetreiber wider, dass ein Großteil der nach heutiger Gesetzeslage eigentlich steuerbaren Anlagen oftmals nicht auf entsprechende Anforderungen gemäß Redispatch 2.0 oder Netzbetreiber-Kaskade reagiert und somit dieses Abschaltpotenzial in kritischen Netzsituationen nicht zur Verfügung steht.
Was sind die neuen Herausforderungen speziell für den grundzuständigen MSB?
Mit der Verschiebung der Rollout-Prioritäten müssen die Messstellenbetreiber nun Tempo aufnehmen und die Erprobung der Steuerungsanwendungen über das intelligente Messsystem zeitnah angehen. Dazu gehört in einem ersten Schritt die Auswahl der notwendigen Technik: Steuerbox als Aufsteckmodul oder separat bzw. digitale Schnittstelle und/oder Relaiskontakte? Zeitgleich stehen die Beschaffung und Implementierung eines neuen IT-Systems (CLS-Management bzw. Steuerbox-Admin) sowie die Information der Anlagenbetreiber und Installateure (TAB/TMA-Anpassungen und neue Portale) an. Auch die Umsetzung der neuen SiLKe 2.0 (Sichere Lieferkette) mit einem jetzt MSB-spezifisch auszuprägenden Sicherheitskonzept für die Auslieferung der Smart-Meter-Gateways steht an. Zu guter Letzt darf die IT-seitige Umsetzung der Abrechnung der neuen POGs jetzt auch gegenüber den Anschlussnehmern nicht vergessen werden.
Die Anforderungen an Messstellenbetreiber werden daher auch im kommenden Jahr weiter anwachsen und erfordern zeitnahe strategische Entscheidungen sowie operatives Umsetzungs-Know-how. Gerne unterstützen wir Sie vom Update der Rolloutstrategie über die Umsetzung und Einführung des CLS-Managements bis hin zu Kosten- und Prozessoptimierungen in Ihrem Unternehmen.