Mit der AFIR setzt die EU unter anderem Mindestziele für den Ausbau der Schnelllade- und Wasserstofftankinfrastruktur entlang des europäischen Fernstraßennetzes oder auch für den Landstrom an Flug-, Binnenschifffahrts- und Seehäfen.
Relevanter für die meisten Energieversorger sind die bereits ab dem 13. April 2024 geltenden neuen Vorschriften für bestehende und neu zu errichtende öffentliche Ladeinfrastruktur. Diese gelten unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten und haben Vorrang vor nationalen Gesetzen wie beispielsweise der Ladesäulenverordnung (LSV).
An allen ab dem 13. April 2024 neu errichteten Ladepunkten muss dann für das Ad-hoc-Laden Kartenzahlung möglich sein – Ladestationen müssen also über ein Kartenlesegerät verfügen. Dies kann auch ein kontaktloses Kartenlesegerät mit NFC-Technologie sein. Beträgt die Ladeleistung weniger als 50 kW, gilt eine Ausnahme: Anstelle eines physischen Kartenlesers darf auch die Möglichkeit angeboten werden, die nötigen Bezahlinformationen über ein Online-Portal einzugeben, das per QR-Code erreichbar ist. Der Knackpunkt dieser auf den ersten Blick aufwandsarmen Lösung liegt aber in der Forderung der EU, dass es sich um einen dynamischen, je Bezahlvorgang individuell generierten QR-Code handeln muss, um Betrugs- und Fälschungsmöglichkeiten vorzubeugen. Ein einfacher Aufkleber ist also nicht ausreichend, die Anzeige des QR-Codes setzt ein dafür geeignetes digitales Display voraus.
Für Bestandsladepunkte mit mehr als 50 kW Ladeleistung, die entlang des europäischen Fernstraßennetzes oder auf bewirtschafteten Rastplätzen installiert sind, gilt eine Nachrüstungspflicht mit (ggf. kontaktlosen) Kartenlesern bis zum 1. Januar 2027.
Dies ist ein zentraler Unterschied zur deutschen LSV, die keine Nachrüstungspflicht für Kartenterminals bei Bestandsladepunkten vorsieht. Ebenfalls abweichend zur LSV ist die Differenzierung nach Leistungsklassen und Standort.
zu beachten sind auch die ab dem 13. April geltenden Anforderungen an die Preisgestaltung und -kommunikation. So müssen an allen Ladepunkten mit mehr als 50 kW die aktuell geltenden Preise für das Ad-hoc-Laden ausgewiesen werden. „Klar und leicht“ soll laut Gesetzestext die Preisinformation an Ladepunkten mit weniger als 50 kW erfolgen. De facto wird also auch für die Darstellung der Preise in Zukunft eine Anzeige an oder im direkten Umfeld des Ladepunkts notwendig sein.
Der CPO, der ja meist auch Elektromobilitätsdienstleister (engl. Electric Mobility Service Provider) ist, muss zusätzlich bei der Preisgestaltung darauf achten, dass bei der Abgabe von Ladestrom eine Preisdifferenzierung zwischen Endkunden und anderen EMPs nur noch dann zulässig ist, wenn diese „verhältnismäßig und objektiv gerechtfertigt“ ist. Wann eine verhältnismäßige und objektiv gerechtfertigte Preisdifferenzierung vorliegt, werden im Zweifelsfall wohl die Gerichte klären müssen.
Künftig ebenfalls nicht mehr erlaubt sind Zusatzgebühren für grenzüberschreitendes e-Roaming beim vertragsgebundenen Laden.
Aus Nutzersicht interessant sind die ab 14. April 2025 geltenden Vorgaben der AFIR zur Bereitstellung von Daten: In jedem Mitgliedsstaat muss dann eine zentrale Stelle benannt sein, die neben statischen auch per API bereitzustellende dynamische Informationen der CPOs zu den Ladepunkten veröffentlicht. In Deutschland könnte diese zentrale Stelle bspw. die BNetzA sein, die bereits heute das zentrale Ladesäulenregister führt. Neben den statischen Informationen zu Betreiber und technischen Eigenschaften im Ladesäulenregister sind ab April 2025 auch Echtzeit-Informationen zu Betriebszustand, Verfügbarkeit, Ad-hoc-Preis und der verwendeten Ökostromqualität für öffentlich Ladepunkte anzugeben. Bis Ende 2026 will die Europäische Kommission ein EU-weites Webportal für die Bereitstellung und den Abruf der oben genannten Daten eingerichtet haben.
Was sind also die Schlussfolgerungen für EVU aus der AFIR?
- Bei der Beschaffung neuer Ladeinfrastruktur sollte darauf geachtet werden, dass sie AFIR-konform ist (insbesondere hinsichtlich der verbauten Bezahlterminals und Displays).
- Die AFIR-Konformität und ggf. Umrüstbarkeit sollte auch für die eigene Bestandshardware oder bei der Übernahme von Bestandsladeinfrastruktur anderer Anbieter geprüft werden.
- Falls notwendig, muss die Preisgestaltung an die Vorgaben der AFIR angepasst werden.
- Geprüft werden sollten ebenfalls die Vereinbarungen mit anderen EMP und Roaminganbietern hinsichtlich der Erhebung künftig unzulässiger Zusatzgebühren beim grenzüberschreitenden Laden.
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