24.09.2024 | Webmagazin 2024/04 Krisensicher in die Zukunft: Neue Absicherungsstrategien für Energieversorger nach der EnWG-Novelle

Lohnt sich jetzt das Update Ihrer Beschaffungs- und Risikorichtlinie? Jérôme Poos | Sarah Roes | Max Sondermann
jerome.poos@bet-energie.de

Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) enthält zahlreiche Änderungen und Regelungen, die den Energiemarkt in Deutschland stabiler, transparenter und widerstandsfähiger machen sollen. Insbesondere im Bereich der Absicherungsstrategien für Lieferanten gibt es einige wichtige Neuerungen, um das Risiko von Preis- und Lieferausfällen zu minimieren und die Versorgungssicherheit zu erhöhen. In diesem Zuge lohnt sich jetzt der prüfende Blick in die Beschaffungs- und Risikohandbücher, um diese auf den aktuellen Stand zu bringen.

Grundsätzlich ist eine regelmäßige Aktualisierung und Prüfung der individuellen Beschaffungs- und Risikorichtlinien zu empfehlen und sollte durch einen dokumentierten Prozess und klar definierte Verantwortlichkeiten verbindlich im Unternehmen gelebt werden.  Der Referentenentwurf sieht vor, dass die Bundesnetzagentur jederzeit die Vorlage und Anpassung der Absicherungsstrategien verlangen kann, z.B. verpflichtend im Rahmen des jährlichen Monitorings nach § 35 EnWG. 

„Ziel des Artikels ist ein stabiler und krisenfester Energiemarkt“, so steht es in den Erläuterungen zum Referentenentwurf. Dies sollte auch das Ziel der Energielieferanten sein, das mit einer Risikodiversifizierung in der Handelsstrategie unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Risikoaffinität einhergeht. 

Die zentralen Punkte, die Lieferanten in Bezug auf die Absicherungsstrategie gemäß der EnWG-Novelle beachten müssen:

1. Verpflichtung zur langfristigen Beschaffung (Hedging)
Lieferanten werden angehalten, langfristige Absicherungsstrategien für den Einkauf von Energie zu entwickeln und umzusetzen. Das Ziel dieser Verpflichtung ist es, Preisschwankungen und damit verbundene Risiken zu reduzieren.

2. Erhöhung der finanziellen Sicherheitsanforderungen
Die Novelle schreibt vor, dass Energieversorger eine angemessene Risikomanagementstrategie entwickeln müssen, die sicherstellt, dass sie über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um ihre Verpflichtungen auch bei volatilen Marktbedingungen zu erfüllen.

3. Kundenschutz durch Ausgleichsmaßnahmen
Im Falle von Marktverwerfungen oder Preisanstiegen müssen Lieferanten sicherstellen, dass sie über Mechanismen verfügen, um ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Endkunden zu erfüllen. Dies kann durch Absicherungsinstrumente geschehen, die den Preis für den Kunden auch bei steigenden Beschaffungskosten stabilisieren.

4. Erhöhung der Transparenz und Meldepflichten
Lieferanten sind verpflichtet, ihre Absicherungsstrategien und die damit verbundenen Risiken gegenüber der Regulierungsbehörde offenzulegen. Dazu gehören regelmäßige Berichte und eine erhöhte Transparenz darüber, wie sie sich gegen Preisschwankungen absichern.

5. Stärkere Kontrolle der Marktteilnehmer
Die Bundesnetzagentur erhält durch die Novelle erweiterte Befugnisse, die Risikoexponierung der Marktteilnehmer zu überwachen. So müssen Lieferanten nachweisen, dass sie über solide Absicherungsstrategien verfügen und nicht ausschließlich auf kurzfristige Marktchancen setzen.

6. Verstärkte Zusammenarbeit in Krisensituationen
Die Novelle betont die Notwendigkeit einer verstärkten Koordination und Zusammenarbeit zwischen Lieferanten, Netzbetreibern und der Bundesnetzagentur im Falle von Marktstörungen oder Krisen. Lieferanten müssen daher Krisenpläne bereithalten, die auch ihre Absicherungsstrategien umfassen.

Angesichts des rasanten Wandels in der Energiebranche durch die Digitalisierung der Energiewende und die zunehmende Integration erneuerbarer Energien, wird von den Lieferanten erwartet, dass sie sich an die veränderten Marktbedingungen anpassen. Dies gilt es in der Beschaffungsstrategie und im Risikomanagement zu berücksichtigen. Auf der Absatzseite ist dies beispielsweise ein verändertes Kundenverhalten, sei es durch dynamische Tarife in Kombination mit intelligenten Energiemanagementsystemen oder die zunehmende private Eigenerzeugung in Kombination mit einer steigenden Anzahl von Energiewendeanlagen wie Wärmepumpen und Ladeinfrastruktur. Auf der Beschaffungsseite sind es beispielsweise die Integration neuer Produkte wie PPA, die Transformation hin zu einer grünen Beschaffung oder auch die Einführung von 15-Minuten-Kontrakten in der Day-Ahead-Auktion. Ergänzend muss sich die Frage gestellt werden, ob Risiken, die durch die zunehmende Digitalisierung entstehen, wie beispielsweise Cyberangriffe, bereits ausreichend abgesichert sind.

Diese vielfältigen gesetzlichen, marktbedingten und unternehmenspolitischen Auslöser sollten zum Anlass genommen werden, die eigene Beschaffungs- und Risikorichtlinie sorgfältig zu überprüfen und den neuen Gegebenheiten anzupassen. 

Eine Richtlinie soll dazu dienen, die Beschaffungs- und Risikostrategie auf nachvollziehbare Weise zu beschreiben und die implementierten Prozesse zur Identifikation, Analyse, Bewertung und Steuerung der mit der Beschaffung und dem Absatz von Energie verbundenen Risiken zu dokumentieren. So können unerwünschte und ggf. existenzbedrohende Verluste vermieden und Chancen zur Wertsteigerung genutzt werden. 

Wir unterstützen Sie gerne bei der Überprüfung bestehender oder der Erstellung neuer Beschaffungs- und Risikorichtlinien. Sprechen Sie uns gerne an.


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