24.09.2024 | Webmagazin 2024/04 Der Spotmarkt im Umbruch: Mehr Flexibilität als neue Normalität

Neue Intraday-Auktionen und 15-Minuten-Day-Ahead-Handel in Sicht Jasper Specht | Max Sondermann
max.sondermann@bet-energie.de

Der Harmonisierungsprozess des europäischen Strommarktes wird derzeit durch Anpassungen am Spotmarkt vorangetrieben. Dazu wurden bereits Mitte des Jahres neue Intraday-Auktionen eingeführt. Ablauf, Effizienz und Ergebnisse der ersten Intraday-Auktionen werden derzeit von den Strommarktbetreibern genau beobachtet. Perspektivisch sollen 15-minütige Day-Ahead- Auktionen die Flexibilität auf der Handelsseite weiter erhöhen und zu einem effizient funktionierenden Strommarkt beitragen. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich insbesondere aus Handelssicht, den weiteren Entwicklungsprozess genau zu beobachten.

Der 13. Juni markiert einen wichtigen Meilenstein für den europäischen Strommarkt: Die Nominated Electricity Market Operators (NEMOs) und Transmission System Operators (TSOs) haben erfolgreich die ersten europaweiten Intraday-Auktionen (IDAs) durchgeführt. In Deutschland ergänzen die neuen Intraday-Auktionen den Rahmen um die bestehende Auktion um 15:00 Uhr am Vortag durch eine weitere Auktion um 22:00 Uhr (ebenfalls am Vortag) und eine Auktion um 10:00 Uhr am Liefertag. 

Neue Intraday-Auktionen
Im Gegensatz zum kontinuierlichen Intraday-Markt, der noch vier Wellen zwischen 2018 und 2022 benötigte, um sukzessive die gesamte geografische Reichweite abzudecken und zu integrieren, erfolgte die Einführung der neuen Auktionen in einem einzigen koordinierten Schritt. Dieser neuartige Ansatz war zwar wesentlich komplexer und anspruchsvoller, aber letztlich auch effizienter.
IDAs sind ein Novum im Intraday-Handel, da die Austauschkapazitäten zwischen den Marktgebieten im kontinuierlichen Intraday-Handel nach dem Prinzip "first come, first served" vergeben werden. Die Bepreisung grenzüberschreitender Intraday-Kapazitäten soll dazu beitragen, die Knappheit der Kapazitäten widerzuspiegeln und damit ein adäquates Preissignal in den Markt zu senden. Regionale Intraday-Auktionen wurden bereits in einigen europäischen Ländern durchgeführt und werden nun durch IDAs in drei einheitlichen europaweiten Auktionen um 15:00 (D-1), 22:00 (D-1) und 10:00 (D) ersetzt.

Market Time Unit
Diese Einführung ist nur ein Schritt in der weiteren Entwicklung des gesamteuropäischen Stromsystems hin zu einem stärker integrierten und vor allem harmonisierten kurzfristigen Handel. Mit der Einführung der CACM (Framework Guidelines on Capacity Allocation and Congestion Management for electricity) im Jahr 2011 und dem Inkrafttreten der letzten Änderungen im Jahr 2015 wurde beschlossen, dass der europäische Stromhandel grundsätzlich und übergreifend in einer Granularität von 15 Minuten ermöglicht werden soll. 

In den letzten Jahren hat sich die Einführung jedoch aufgrund der zahlreichen Krisen weiter verzögert, das Market Coupling Steering Committee (MCSC, ein Zusammenschluss der Strommarkt- und Übertragungsnetzbetreiber) hat nun den 18.03.2025 als Starttermin festgelegt, wobei nach Kritik von Marktteilnehmern eine Einführung zu Beginn des 2. Quartals 2025 oder weitere Verzögerungen wahrscheinlicher erscheinen.

Für die Einführung von 15-minütigen Produktzeitscheiben im Day-Ahead-Markt sind weitere Anpassungen notwendig. Zunächst muss für eine zeitgleiche europaweite Einführung der 15-minütigen Day-Ahead Auktionen das Bilanzkreisabrechnungszeitintervall in allen Ländern auf eine 15-minütige Granularität gesetzt werden, anschließend werden 15-minütige Intraday-Produkte eingeführt. Die Einführung dieser Maßnahmen soll dann schrittweise in Wellen erfolgen und ist zumindest für Deutschland bereits realisiert. Sowohl Nordpool als auch EPEX Spot haben in diesem Zusammenhang angekündigt, weiterhin 1-Stunden-, 30-Minuten- und 15-Minuten-Day-Ahead-Produkte anbieten zu wollen. Welche Indexprodukte darüber hinaus angeboten werden, ist noch offen.

Die europaweite Einführung von Intraday-Auktionen sowie die perspektivischen Anpassungen der Day-Ahead-Auktion auf eine 15-minütige Produktzeitscheibe sind ein weiterer wichtiger Schritt zu einem stärker integrierten und effizienten Strommarkt. Trotz Verzögerungen und Herausforderungen könnten diese Maßnahmen den Stromhandel in Europa deutlich flexibler und robuster machen, um den Anforderungen eines sich wandelnden Energiesystems gerecht zu werden. Mit Blick auf die geplanten weiteren Umsetzungsschritte bietet sich dem Energiehandel auch eine neue, bisher nicht gekannte Flexibilität für Optimierungen. 


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