Der Vorteil hierbei ist, dass nicht alle Karten vollständig verdeckt aufzulegen sind: Die Zukunft der regionalen Gasversorgung und somit der Gasverteilnetze hängt auch von Einflussfaktoren ab, die in ihrer tendenziellen Enwicklungsrichtung klar abzusehen oder inzwischen sogar weitestgehend gefestigt sind.
Ein Verteilnetzbetreiber sollte deswegen bei seiner Netzentwicklungsstrategie folgende Leitplanken berücksichtigen:
Die Klimaziele der Bundesregierung sind fixiert:
Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes reagierend, verschärfte die Bundesregierung unlängst ihre Klimaziele: Nach dem Klimaschutzgesetz 2021 soll die Klimaneutralität bereits 2045 erreicht werden, wobei auch neu gesetze Zwischenziele (bis 2030 bzw. 2040) den ehrgeizigen Weg verdeutlichen. Ebenso wird aktiv auf EU-Ebene über die Umsetzung der verschärften Klimaziele bis 2030 diskutiert. Diese jüngsten Entwicklungen zeigen, dass die Verbrennung von fossilen Rohstoffen aufgrund der untrennbar damit verbundenen Treibhausgasemission keine Zukunft haben wird. Das heißt auch, dass Erdgas als Energieträger zwar als kurzfristige Brückentechnologie dienen kann, langfristig aber keine Berechtigung mehr hat – und die Gasinfrastrukturen auf diese Transformation vorbereitet werden müssen.
Wasserstoff und grüne Gase sind im Kommen:
Neben der Reform des Klimaschutzgesetzes wurde Mitte Mai diesen Jahres auch eine Erklärung der Bundesregierung zum „Klimapakt Deutschland“ veröffentlicht, die u. a. einen „beschleunigten Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft“ mit „besonderem Fokus auf […] die erforderliche Infrastruktur“ nennt. Dies zeigt, dass Ziele, die bereits im letzten Jahr u. a. mit der nationalen Wasserstoffstrategie gesetzt wurden, ehrgeizig weiterverfolgt werden. Gleichzeitig werden neben Wasserstoff auch andere grüne Gase, wie Biomethan oder synthetisches Methan, bewusst unterstützt. Für Gasverteilnetzbetreiber ist dies ein deutliches Zeichen: Grüne Gase im Verteilnetz stellen nicht nur eine mögliche Option dar, sondern sind als wichtiger Bestandteil zur Lösung der Emissionsprobleme vorgesehen. Dafür müssen Bestandsnetze durch Auf- und Umrüstung auf eine baldige Beimischung grüner Gase (Beispiel Wasserstoff: zunächst bis 30 Vol.-% H2-Anteil) vorbereitet werden. Der DVGW liefert hierzu gefestigte Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung beispielsweise zum Thema der Nachbehandlung von bestehenden Leitungen für eine erhöhte Wasserstoffverträglichkeit ebenso wie zu notwendigen Anpassungen von Kundenendgeräten.
Vielfältige Optionen für Wärmeversorgung sind auf Seite des Kunden vorhanden:
Den politischen Vorgaben Folge leistend, zeichnet sich ein Wandel in der Wärmeversorgung ab. Nach der (noch in der Umsetzung befindlichen) Abkehr von der Ölheizung stehen mit Gasnetzanschluss, Wärmepumpen, (Mikro-)Blockheizkraftwerke oder, regional abhängig, auch dem Anschluss an Nah-/Fernwärmenetze verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Die Auswirkungen dieser Transformation auf das Gasnetz muss natürlich bei der individuellen Netzentwicklungsstrategie berücksichtigt und hierfür abgeleitet werden, welche Kundentechnologien und -strukturen sich im eigenen Netzgebiet zukünftig ergeben. Insgesamt gilt, wer sich als Netzbetreiber gezielt mit möglichen Szenarien der Wärmeversorgungsaufgabe im eigenen Netzgebiet auseinandersetzt, kann individuelle Vorkehrungen planen, rechtzeitig umsetzen, flexibel auf zukünftige Entwicklungen reagieren und so den Trend der neuen Wärmeversorgung aktiv mitgestalten.
Investitionen müssen zielgerichtet eingesetzt werden:
Bei allen strategischen Überlegungen ist es zwangsläufig auch erforderlich, die genannten Trends bereits im aktuellen Tagesgeschäft zu berücksichtigen. Investitionen sollten aus einer technischen, kaufmännischen und regulatorischen Sinnhaftigkeit zielgerichtet und nachhaltig erfolgen. Unter diesem Aspekt sind beispielsweise Verdichtungen von Netzgebieten mit hohen Deckungsbeiträgen oder der Rückbau von Bereichen mit geringer Auslastung anzustreben. Mithilfe einer geeigneten Netzentwicklungsstrategie sind die jeweiligen Entwicklungen der Erlösobergrenze, der Netzentgelte und der zukünftigen Erträge abschätzbar. Entsprechend können die konkrete Finanzierung betreffende Handlungsoptionen abgewogen und zukünftigen „Überraschungen“ vorgebeugt werden.
Fazit ist: Der Verteilnetzbetreiber im Gassektor muss aufgrund der vielen Einflussfaktoren rechtzeitig seine individuelle Netzsituation analysieren und hierauf aufbauend eine geeignete Netzentwicklungsstrategie ableiten. So gelingt mit einem für die Zukunft gerüsteten Gasverteilnetz die nachhaltige Erfüllung der Versorgungsaufgabe – und das auch ohne unterstützenden Blick in die magische Glaskugel.